Schwein muss man haben!

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Mehr als 10.000 Deutsche standen im Jahr 2014 auf der Warteliste von Eurotransplant, einer Non-profit-Organisation für Organspenden. Nur etwa 3.100 Menschen erhielten im selben Jahr eine Organtransplantation. (Wer mehr Zahlen will, findet sie hier: statistics.eurotransplant.org, englisch und hier: www.organspende-info.de, deutsch)

So oder so ähnlich sieht es in der ganzen Welt aus. Viel mehr Organe werden benötigt, als gespendet werden. Und selbst wenn Menschen bereit sind, nach ihrem Tod bestimmte Organe zu spenden, heißt das noch lange nicht, dass ihre Organe „passen“. Das Abstoßen von fremden Organen durch den Körper eines Patienten ist ein großes Problem. Oft müssen Menschen, denen fremde Organe transplantiert wurden, viele Medikamente nehmen, um die Abstoßung des Spenderorgans zu verhindern. Doch warum werden fremde Organe abgestoßen?

Jedes Lebewesen hat ein Immunsystem, das Eindringlinge erkennt und abwehrt. Die Eindringlinge können Krankheitserreger wie Viren oder Bakterien sein, aber auch Zellen anderer Menschen. Habt ihr es schon mal erlebt, dass ihr krank wurdet, nachdem ihr einen neuen Freund oder eine neue Freundin hattet? Am Anfang einer Beziehung knutscht man meistens ziemlich ausgiebig (und tut andere Dinge mit sehr intensivem Körperkontakt, nicht wahr…). Dadurch gelangen viele Zellen des anderen in unseren Körper. Das Immunsystem wird alarmiert von all diesen „Fremdlingen“, und kann durch diesen Ansturm auch mal überfordert sein – dann hat es keine Kapazitäten mehr um Erkältungs- oder Herpesviren zu bekämpfen und zack – werden wir krank oder kriegen Bläschen auf der Lippe. Mit der Zeit erkennt das Immunsystem die Zellen unseres Knutschpartners als harmlos und beruhigt sich wieder. Außerdem sinkt die Knutschfrequenz meist nach einigen Monaten Beziehung. Ähnlich ist es mit einem transplantierten Organ, nur, das dessen Kontakt mit dem Körper des Patienten viel ausdauernder und intensiver ist. Da beruhigt sich das Immunsystem eben nicht wieder, sondern kämpft andauernd gegen den „Eindringling“. Manchmal ist diese Abwehrreaktion so stark, dass das Organ wieder entnommen werden muss, weil es das Leben das Patienten gefährdet. Wie wunderbar wäre es, wenn Spenderorgane maßgeschneidert werden könnten!

Dieser Traum schwirrt schon lange in den Köpfen der Transplantationsmediziner herum, aber bisher konnte er kaum umgesetzt werden. Perfekt auf einen bestimmten Patienten abgestimmte Organe können natürlich nicht in anderen Menschen gezüchtet werden, das ist verboten und würde den anderen Menschen zum Ersatzteillager degradieren (interessanter Spielfilm zum Thema: Beim Leben meiner Schwester, OT: My Sister’s Keeper). In Schweinen allerdings wäre das möglich. Warum ausgerechnet Schweine? Nun, ihre Organe haben eine Größe, die gut in den menschlichen Körper passt. Wer jetzt entrüstet aufschreit, den lade ich ein, meinen Artikel über Tierversuche zu lesen.

Schon seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts hat man versucht, Organe aus Schweinen und Pavianen zur Organtransplantation bei Menschen zu verwenden – ohne Erfolg. Das Immunsystem des Menschen lehnt sich zu sehr auf. In den Jahrzehnten, die seitdem vergangen sind, hat man versucht, Gene des Schweins so zu verändern, dass seine Organe menschenähnlicher werden und so vom menschlichen Immunsystem nicht mehr als fremd eingestuft werden. Doch die Methoden zur gezielten Genmutation waren bis vor Kurzem sehr kompliziert und hatten eine geringe Erfolgsrate.

Vor wenigen Jahren wurde jedoch eine neue Methode entwickelt, mit der man kontrolliert ganz gezielte Veränderungen in Genen hervorrufen kann. Diese Methode funktioniert so gut, dass man dutzende Gene gleichzeitig genauso modifizieren kann, wie man gerne möchte. Sie wird jetzt angewendet, um Schweine genetisch so anzupassen, dass ihre Organe für menschliche Patienten geeignet sind. Doch was genau muss dafür verändert werden?
Jede Zelle im Körper eines Lebewesens trägt Proteine an ihrer Oberfläche. Diese Proteine sind für jede Spezies – Ratten, Schweine, Menschen – unterschiedlich. Doch nicht nur das, sie unterscheiden sich auch zwischen Mitgliedern derselben Spezies, also zwischen mir und meinem Freund. Und diese Protein sind es auch, die vom Immunsystem als fremd erkannt werden. Unser Immunsystem kennt die Oberflächenproteine unserer eigenen Zellen, nicht jedoch die anderer Menschen, mit denen wir gerade knutschen oder deren Organ wir eben in uns tragen. Darum stößt es diese fremden Zellen ab. Wenn aber die Gene, die den Bauplan für diese Oberflächenproteine tragen, so verändert werden, dass sie zum jeweiligen Patienten passen, würde das Organ nicht mehr als fremd erkannt. Das würde das Leben des Patienten sehr erleichtern, denn er müsste keine Medikamente mehr nehmen, um sein Immunsystem zu unterdrücken. Das bringt nämlich große Nachteile: Ein unterdrücktes Immunsystem stößt nicht nur das Spenderorgan nicht mehr ab, sondern wirkt auch nicht mehr gegen tatsächlich unerwünschte Eindringlinge, z.B. Krankheitskeime. Und selbst bei unterdrücktem Immunsystem kann das fremde Organ so viel Stress auf den Körper ausüben, dass das Leben des Patienten stark beeinträchtigt wird.

Doch noch sind wir nicht so weit, dass jeder ein genetisch auf ihn ausgerichtetes Organ bekommen kann. Noch sind Mediziner und Wissenschaftler damit beschäftigt, Schweineorgane überhaupt für Menschen geeignet zu machen. Aber von da bis zum maßgeschneiderten Organ ist es gar nicht so weit. Dies wäre eine große Hilfe und Erleichterung für all jene, die schon seit Jahren vergeblich auf ein Spenderorgan warten.

2 Replies to “Schwein muss man haben!”

  1. Schöner Artikel, das Ausmaß der Schweinenutzung und -forschung war mir gar nicht klar! Allerdings hätte ich nach dem Anklicken der Links Deine Homepage fast nicht wiedergefunden, bis ich den “Rückwärts-Pfeil” an meinem Browser geklickt habe. Vielleicht läßt Du die Links in Zukunft in einem eigenen Tab aufmachen?
    Alles Gute
    Florian

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